Auswirkung der Bekanntheit einer jüngeren Marke auf Verwechslungsgefahr mit älterer Marke

Allzu oft werden Marken und die dazugehörigen Warenverzeichnisse vor Anmeldung nicht auf ihre Verwechslungsgefahr mit identischen und/oder ähnlichen Marken abgeglichen bzw. recherchiert. Erst viele Jahre nach der Eintragung stellt man mit „Entsetzen“ fest, dass eine prioritätsältere Marke existiert, die mit der inzwischen sehr bekannten eigenen Marke identisch und/oder ähnlich ist und mit der Verwechslungsgefahr besteht.

Das Problem

Die Problematik einer durch besondere Kennzeichnungskraft der (jüngeren) Marke beeinflussten Verwechslungsgefahr ergibt sich kaum im Widerspruchsverfahren, weil eine neu eingetragene Marke in aller Regel noch nicht intensiv benutzt worden ist.

Hingegen kann sich in einem Verletzungsprozess, der jederzeit möglich ist, durchaus die Frage stellen, ob eine besondere Bekanntheit der jüngeren Marke zu einer erhöhten Verwechslungsgefahr mit der älteren Marke führt oder gar die Bekanntheit der jüngeren Marke eine Verwechslungsgefahr mit einer identischen oder ähnlichen älteren Marke ausschließt.

Der Rechtssatz, dass bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke einen geringeren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder der Vergleichszeichen auszugleichen vermag, ist in der Rechtsprechung und Literatur wohl einhellig anerkannt. Hingegen gibt es in der Rechtsprechung eine nur vergleichsweise geringe Anzahl von Entscheidungen, die sich mit der Bekanntheit einer jüngeren Marke und den Auswirkungen dieser Bekanntheit auf die Verwechslungsgefahr mit der älteren Marke beschäftigen.

Lösung zugunsten der prioritätsälteren Marke

Bereits in einer sehr weit zurückliegenden Entscheidung aus dem Jahre 1957 hat der BGH festgestellt, dass der Inhaber des jüngeren Zeichens dem Inhaber des älteren Zeichens nicht mit dem Hinweis auf seinen wertvollen Besitzstand begegnen kann (BGH GRUR 1957, 499 – Wipp).

Gerade dann, wenn der Verkehr die ältere Marke der jüngeren Marke zu Lasten der älteren Marke zuordnet, ist eine sich auswirkende Verwechslungsgefahr zu bejahen, denn das ältere Zeichen wird in diesem Fall für das jüngere Zeichen gehalten. Es liegt die besondere eine Situation vor, dass das jüngere Zeichen nicht irrtümlich für das ältere Zeichen gehalten wird, sondern umgekehrt das ältere Zeichen für das jüngere Zeichen, und deshalb dessen Inhaber zugerechnet wird.

Für die unmittelbare Verwechslungsgefahr soll dies keinen Unterschied machen. Denn auf diese Weise kann die sich auswirkende Verwechslungsgefahr für den Inhaber der älteren Marke sogar schädlicher sein als die Zurechnung des jüngeren Zeichens auf ihn, weil auf diese Weise die von ihm unter Verwendung seiner älteren Marke geschaffenen Werte einem anderen Unternehmen zugeordnet werden (OLG Köln GRUR-RR 2002, 290 – T-is money)

Lösung zugunsten der prioritätsjüngeren Marke

In 2018 sorgte eine Entscheidung des EuG für Aufmerksamkeit, in dem das Gericht eine Verwechslungsgefahr die auf den Namen des Fußballspielers „Messi“ lautende Marke als mit der prioritätsälteren Marke „Massi“ als nicht verwechslungsfähig ansah. Das EuG vertrat in dieser Entscheidung die Auffassung, dass ein signifikanter Teil des angesprochenen Verkehrs die Marke „Messi“ nicht in Verbindung mit der Marke „Massi“ bringen und den Unterschied wahrnehmen würde. Die Berühmtheit des Fußballers sei so groß, dass es nicht plausibel sei, anzunehmen, dass der Durchschnittsverbraucher das Zeichen nicht als Name des Fußballers auffassen werde. Dieser begriffliche Unterschied sei geeignet, die klanglichen und visuellen Ähnlichkeiten beider Marken zu neutralisieren (EuG T-554/14 – Messi).

Die Entscheidung erscheint allerdings wenig tauglich für die Problematik der Verwechslungsgefahr bekannter prioritätsjüngerer Marken mit prioritätsälteren Marken, die ihre Entscheidungsfindung eher der Bekanntheit des Fußballers als der eigentlichen Problematik verdankt.

Normativer Lösungsansatz

Der normative Ansatz, der von der Literatur vertreten wird, wird damit begründet, dass die wettbewerbliche Leistung des Unternehmers anzuerkennen sei und seiner deshalb schutzwürdigen Marke insoweit ein größerer Schutzumfang zukomme. Der Unternehmer investiere für den Aufbau einer noch jungen Marke regelmäßig viel Zeit, Kreativität und Geld. Diese Arbeit sei zu honorieren, sodass der prioritätsälteren Marke im Rahmen der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ein größerer Schutzumfang zukomme.

Die Literatur vertritt deshalb übereinstimmend die Auffassung, dass für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr allein die Bekanntheit der älteren Marke relevant sei. Die Bekanntheit der jüngeren Marke spiele in diesem Zusammenhang keine Rolle. Das nachträgliche Erstarken der jüngeren Marke findet damit bei der Frage der Verwechslungsgefahr keinerlei Berücksichtigung. Der Träger der jüngeren Marke kann gegenüber dem Träger der älteren verwechslungsfähigen Marke keine Rechte daraus herleiten, dass nunmehr beachtliche Kreise der angesprochenen Verkehrskreise das Zeichen auf ihn beziehen.

Empirischer Lösungsansatz

Der BGH verfolgt hingegen den empirischen Rechtfertigungsansatz: „Mag auch die Gefahr tatsächlicher Verwechslungen mit zunehmendem Bekanntheitsgrad sinken, weil das Kennzeichen dem Verkehr so häufig begegnet, dass er Fehlvorstellungen über sein tatsächliches Aussehen weniger unterliegen wird, werden jedoch erfahrungsgemäß dem Verkehr besonders kennzeichnungskräftige, insbesondere bekannte oder sogar berühmte Kennzeichnung eher in Erinnerung bleiben; der Verkehr werde das Zeichen deshalb auch eher in einer anderen Kennzeichnung wieder zu erkennen glauben“ (BGH GRUR 2002, 171 – Malboro-Dach).

Folgerichtig kann eine höhere Verwechslungsgefahr auch für den Fall angenommen werden, dass die jüngere Marke besonders bekannt ist. Mit dieser Prämisse ist allerdings nicht erkennbar, warum das Ausmaß der Verwechslungsgefahr davon abhängen soll, ob das ältere oder ob das jüngere Zeichen bekannt ist. Die Verwechslungsgefahr wirkt nach Auffassung des BGH aber in beide Richtungen, so dass es unerheblich ist, ob der Verkehr die jüngere Marke der älteren oder die ältere Marke der jüngeren Marke zuordnet. Der BGH bezeichnet diese Konsequenz als „reziproke Wirkung“ der Kennzeichnungskraft (BGH GRUR 1957, 499 – Wipp)

Auswirkungen der Anwendung der normativen oder empirischen Rechtfertigung

Für die empirische Rechtfertigung spricht, dass sie eine gewisse Flexibilität im Hinblick auf eine möglicherweise gewünschte, als richtig empfundene Rechtsfolge eröffnet und im Zweifel der Einzelfallgerechtigkeit besser Rechnung tragen kann. Für die normative Entscheidung spricht, dass die Benutzung der jüngeren Marke im Hinblick auf die Verwechslungsgefahr keine Rolle spielt und damit auch der Umstand, dass der Inhaber der jüngeren Marke ebenfalls umfassende Investitionen getätigt hat, um den Bekanntheitsgrad zu steigern, für die Feststellung der Verwechslungsgefahr mit der älteren Marke unberücksichtigt bleiben muss.

Die normative Bewertung kann gar nicht zu der Ausnahme kommen, dass die jüngere Marke sich gegenüber der älteren Marke durchsetzen kann. Wenn man den Prioritätsgrundsatz stringent verfolgt und dafür konsequenterweise und richtigerweise auf den Zeitpunkt der erstmaligen Gegenüberstellung der Kennzeichen abstellt, kann bei dieser normativen Betrachtung die Bekanntheit des jüngeren Zeichens niemals zu seinen Gunsten berücksichtigt werden.

Andere Lösungsansätze

Wechselwirkung: Für die Feststellung der Verwechslungsgefahr von Marken besteht eine Wechselwirkung. So vermag ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen ebenso durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen zu werden wie ein geringerer Grad der Markenähnlichkeit durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen. So wird zum Beispiel bei Markenidentität und überragender Kennzeichnungskraft der älteren Marke auch eine im Randbereich der wahren Ähnlichkeit liegende Ware noch für die Bejahung der Verwechslungsgefahr ausreichen können. Andererseits kann trotz Markenidentität und noch gegebener wahren Ähnlichkeit die Verwechslungsgefahr entfallen, wenn der älteren Marke nur eine geringe Kennzeichnungskraft zuzusprechen ist.

Dieser Grundsatz gilt jedoch nur im Hinblick auf die Verwechslungsgefahr der älteren Marke mit der jüngeren Marke. Für die Verwechslungsgefahr einer bekannten jüngeren Marke mit einer älteren Marke ist damit noch nichts gewonnen.

Neutralisierung: Markenähnlichkeit kann in klanglicher, (schrift-)bildlicher oder begrifflicher Hinsicht bestehen. Jede dieser Möglichkeiten ist gesondert zu erörtern, wobei es ausreicht, dass nur eine dieser Wahrnehmungen besteht.

Nach der Rechtsprechung des EuGH können Bedeutungsunterschiede die optischen und klanglichen Ähnlichkeiten zwischen dem betreffenden Zeichen neutralisieren. Für eine solche Neutralisierung ist es erforderlich, dass zumindest eines der fraglichen Zeichen in der Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise eine maßgebliche und bestimmte Bedeutung hat (EuGH GRUR 2006, 237 – PICASSO), sofort erfasst wird und keinen weiteren Denkvorgang erfordert (EuGH Beschl. C-579/08 – Ferromix/FERROMAXX). Er darf sich dabei nicht um lediglich verständliche Begriffe handeln, sondern es muss sich um Begriffe handeln, die den Verkehrskreisen geläufig sind und bei denen sich die Erinnerung an ihre Bedeutung aufdrängt (BGH GRUR 1995, 50 – Indorektal/Indohexal).

Diese Neutralisierungsmöglichkeit infolge unterschiedlicher Bedeutung löst jedoch nicht die Frage, ob jüngere Zeichen vor ähnlichen älteren Zeichen aufgrund der Bekanntheit der jüngeren Marke bestehen können. Die Neutralisierung aufgrund unterschiedlicher Bedeutung ist nicht eine nur auf bekannte Marken bezogene Beurteilungsmöglichkeit. Die Neutralisierungsmöglichkeit ist ein allgemeiner Grundsatz und findet sowohl bei der Beurteilung der Verwechslungsfähigkeit mit einer bekannten Marke, der Verwechslungsfähigkeit bekannter Marken untereinander als auch auf die Verwechslungsfähigkeit sich gegenüberstehender nicht bekannter Marken Anwendung (BGH GRUR 2006, 237 – PICASSO).

Überragende Bekanntheit der jüngeren Marke: In der Literatur wird jüngst die Möglichkeit zur Diskussion gestellt, in den Fällen, in denen die jüngere Marke eine überragende Bekanntheit im Markt erlangt hat, von dem normativen Ansatz, dass die Bekanntheit der jüngeren Marke keine Relevanz hat, abzuweichen (Lühtge/Friedrich, GRUR 2020, 138). In diesen seltenen Fällen sei es zur Wahrung markenrechtlicher Systemkonsistenz geboten, die Bekanntheit der jüngeren Marke zu ihren Gunsten zu berücksichtigen.

Es fragt sich allerdings, ob der Inhaber der älteren Marke vor solch einer Entwicklung der jüngeren verwechslungsfähigen Marke, die es zwischenzeitlich zu einer überragenden Bekanntheit gebracht hat, so lange die Augen verschließen kann und sich im Prozess vielleicht nicht doch herauskristallisiert, dass der Inhaber der älteren Marke Kenntnis von der Entwicklung der jüngeren Marke hatte, aber nichts dagegen unternommen hat, und deshalb die Frage der Verwirkung diskutiert werden muss. Der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung hat nicht das Recht, die Nutzung einer eingetragenen Marke mit jüngerem Zeitrang für die Waren und/oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, zu untersagen, soweit er die Benutzung der Marke während eines Zeitraums von fünf aufeinanderfolgenden Jahren in Kenntnis dieser Benutzung geduldet hat (§ 21 MarkenG).

Auswirkung auf die Praxis

Die oben genannten Lösungsansätze und ihre unterschiedlichen Rechtsfolgen sollten in der Konsequenz jeden Markenanmelder als eine Pflicht verstanden werden, vor Markenanmeldung das Zeichen und dessen Waren-/Dienstleistungsverzeichnis im Hinblick auf bereits geschützte Identitäten und Ähnlichkeiten von bereits geschütztem Marken zu recherchieren, die Rechercheergebnisse auszuwerten und erst aufgrund des Ergebnisses unter Abwägung der Risiken zu entscheiden. Das Markenamt prüft Markenanmeldungen lediglich im Hinblick auf ihre Unterscheidungskraft. Es führt keine Recherche durch.

Je nachdem, ob man dem normativen oder dem empirischen Lösungsansatz folgt, kann sich die Bekanntheit der jüngeren Marke gegenüber der älteren Marke ggf. auch durchsetzen und seinen Markenschutz bewahren. Solange diese Markenbekanntheit nicht erreicht ist, ist die prioritätsjüngere gegenüber der prioritätsälteren Marke sowohl bei Anwendung des normativen als auch bei Anwendung des empirischen Lösungsansatzes in der schwächeren Position.

Aber: ist die jüngere Marke aufgrund ihrer Entwicklung am Fortbestand des Markenschutzes interessiert, besteht auch noch die Möglichkeit, für eine Vorrechtsvereinbarungen zu plädieren oder gar dem Inhaber der älteren Marke die Marke abzukaufen. Der Inhaber der jüngeren Marke sollte sich dabei allerdings bewusst sein, dass der Inhaber der älteren Marke vom Inhaber der jüngeren Marke einen entsprechenden Marktpreis orientiert am Entwicklungspotenzial der jüngeren Marke für die Übertragung seiner Marke fordern wird.

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Kategorie: Markenrecht