Vor allem Angebote im Internet verletzen oft Markenrechte von Markeninhabern. Es stellt sich deshalb für die Markeninhaber immer wieder die Frage, wo sie ihre Rechte verfolgen und durchsetzen können.
Das Problem
In den vergangenen Jahren war die Durchsetzung von Unionsmarken am Gerichtsstand des Deliktortes schwierig geworden. Je nachdem, ob aus einer nationalen Marke oder aus einer Unionsmarke geklagt wurde, konnten sich im Falle von Rechtsverletzungen unterschiedliche Gerichtszuständigkeiten ergeben. Art. 97 Abs. 5 UMV (jetzt und im Folgenden: 125 Abs. 5 UMV) bestimmt für Unionsmarken als Gerichtszuständigkeit den „[Mitgliedstaat], in dem eine Verletzungshandlung begangen worden ist oder droht“. Für nationale Marken bestimmt hingegen Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I VO (jetzt und im Folgenden: Art. 7 Nr. 2 EuGVVO) für die Gerichtszuständigkeit den „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist.“
EuGH und BGH stutzten in ihrer bisherigen Rechtsprechung die Zuständigkeit auf den Gerichtsstand des Beklagtensitzes zusammen, sodass darüber hinaus praktisch keine Klagen am Deliktsort möglich waren. Die Ursachen:
“Coty Germany” – EuGH, Urt. v. 05.06.2014 – C-360/12
Der EuGH behandelte die internationale Zuständigkeit bei Verletzung von Unionsmarken erstmals in seiner Entscheidung „Coty Germany“. Coty Germany, ein Unternehmen, das Parfum- und Kosmetikerzeugnisse produziert und vertreibt, wehrte sich gegen den Verkauf ihres Damenparfüms „Davidoff Cool Water Woman“ in Deutschland, das von dem deutschen Anbieter in Belgien gekauft worden war. Der EuGH vertritt in dieser Entscheidung die Auffassung, dass bei Unionsmarken keine Zuständigkeit am Erfolgsort (im konkreten Falle also in Deutschland) bestehe. Der Unionsgesetzgeber habe mit Art. 97 Abs. 5 UMV (jetzt Art. 125 Abs. 5 UMV) von der in Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I VO (jetzt Art. 7 Nr. 2 EuGVVO) vorgesehenen allgemeinen Zuständigkeitsregel der unerlaubten Handlung abweichen wollen.
Was den Wortlaut von Art. 125 Abs. 5 UMV anbelange, lege der Begriff des Mitgliedstaats, in dem eine Verletzungshandlung begangen worden sei, nahe, dass dieser Anknüpfungspunkt auf ein aktives Verhalten des Verletzers abstelle. Daher ziele der in dieser Bestimmung vorgesehene Anknüpfungspunkt auf den Mitgliedstaat ab, in dem sich der Vorfall, der der behaupteten Verletzung zugrunde liegt, ereignet habe oder zu ereignen drohe, und nicht auf den Mitgliedstaat, in dem diese Verletzung ihre Wirkungen entfalte. Das bedeute konkret, dass Verletzungshandlungen in dem Mitgliedsstaat gelten zu machen wären, in dem der Verletzer seinen Sitz hat und nicht in dem Mitgliedsstaat, wo die Waren verkauft werden.
„Parfummarken“ – BGH, Urt. v. 09.11.2017 – I ZR 164/16
In der BGH-Entscheidung ging es ebenfalls um die internationale Markenverletzung von Coty, in diesem Falle durch ein Unternehmen mit Geschäftssitz in Italien, das mit Parfum- und Kosmetikartikeln handelt und einen Internetauftritt unter der Internetadresse www….it, der auch in deutscher Sprache verfügbar ist, unterhält. Der Internetauftritt eröffnet keine direkte Bestellmöglichkeit; es werden jedoch Kontaktdaten angegeben.
Der BGH vertritt in dieser Entscheidung die Auffassung, dass bei Rechtsstreitigkeiten über Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums, in denen der Vorwurf verschiedener, in mehreren Mitgliedstaaten begangener Verletzungshandlungen erhoben werde, nicht auf jede einzelne Verletzungshandlung abzustellen, sondern eine Gesamtwürdigung des Verhaltens vorzunehmen sei, um den Ort zu bestimmen, an dem die ursprüngliche Verletzungshandlung, auf die das vorgeworfene Verhalten zurückgeht, begangen worden ist oder droht. Bei Onlineangeboten reichten selbst auf Deutschland bezogene Vertriebsbemühungen des Verletzers demnach nicht für eine Zuständigkeit als Deliktsort aus. Maßgeblich sei nicht der Ort, an dem die Internetseite abgerufen werden könne, sondern allein der Ort, von welchem aus die Veröffentlichung des Angebots auf der Internetseite in Gang gesetzt worden sei.
AMS Neve /.Heritage Audio – EuGH, Urt. v. 05.09.2019 – C-172/18
Dieser Entscheidung liegt ein Rechtsstreit zwischen AMS Neve Ltd mit Sitz in Großbritannien zugrunde, die Audiogeräte unter der Unionsmarke „1073“ herstellt, und Heritage Audio SL mit Sitz in Spanien Spanien, die Audiogeräte in Großbritannien vertreibt. Heritage wird vorgeworfen, dass sie Nachahmungen von Waren von AMS angeboten habe, die mit der Unionsmarke identischen oder ihr ähnlichen Zeichen versehen seien. Die Angebote erfolgten via Internet.
Zur Frage der Gerichtszuständigkeit vertritt der EuGH in dieser Entscheidung nun die Auffassung, dass der Inhaber einer Unionsmarke gegen diesen Dritten eine Verletzungsklage vor einem Unionsmarkengericht desjenigen Mitgliedstaats erheben könne, in dem sich die Verbraucher und Händler befänden, an die sich diese Werbung oder Verkaufsangebote richteten (also GB), obwohl der Dritte die Entscheidungen und Maßnahmen im Hinblick auf diese elektronische Anzeige in einem anderen Mitgliedstaat getroffen habe. Es sei zu verhindern, dass der Dritte, der ein mit einer Unionsmarke identisches oder ihr ähnliches Zeichen ohne Zustimmung des Markeninhabers für Waren benutzt habe, die mit denjenigen, für die diese Marke eingetragen ist, identisch oder ihnen ähnlich sind, der Anwendung des Art. 125 Abs. 5 UMV widersprechen und damit dessen praktische Wirksamkeit beeinträchtigen könne, indem er sich auf den Ort der Einstellung seiner Werbung und Angebote ins Internet berufe, um die Zuständigkeit eines anderen Gerichts auszuschließen.
Würde der Ort der Verletzungshandlung so ausgelegt, dass er den Mitgliedstaat betreffe, in dem die Person, die die betreffenden geschäftlichen Handlungen vorgenommen habe, ihre Website eingerichtet und die Anzeige ihrer Werbung und Verkaufsangebote ausgelöst habe, würde es ausreichen, dass in der Union niedergelassene Nachahmer, die auf elektronischem Weg tätig werden, es so einrichteten, dass das Hoheitsgebiet der Einstellung ins Internet und das ihrer Niederlassung zusammenfallen.
Eine Auslegung der Wendung in Art. 125 Abs. 5 UMV in dem Sinne, dass sie den Ort betreffe, an dem der Verletzer die Entscheidungen und technischen Maßnahmen zur Schaltung der Anzeige im Internet getroffen habe, sei auch unangemessen, da es dem Unionsmarkeninhaber in vielen Fällen übermäßig erschwert, wenn nicht gar unmöglich würde, von diesem Ort Kenntnis zu erlangen.
Somit sei der Ausdruck „Verletzungshandlung“ so zu verstehen, dass er sich auch auf Handlungen bezöge, die in der Werbung und in Verkaufsangeboten unter einem mit der fraglichen Marke identischen Zeichen bestünden, und als in dem Hoheitsgebiet begangen anzusehen, in dem sie beworben und zum Verkauf angeboten worden sind. Das sei das Gebiet, in dem der geschäftliche Inhalt den Verbrauchern und Händlern, an die er gerichtet war, tatsächlich zugänglich gemacht worden sei. Ob diese Werbung und diese Angebote anschließend zum Kauf der Waren des Beklagten geführt haben, sei dagegen unerheblich.
Fazit
Für in Deutschland sitzende Unionsmarkeninhaber ist die Entscheidung des EuGH bedeutend. Deutsche Unionsmarkeninhaber können bei grenzüberschreitenden Onlineangeboten nun wieder die deutschen Gerichte anrufen, auch wenn die online werbenden und anbietenden Unternehmen im Ausland sitzen. Vor dem Hintergrund der BGH-Entscheidung „Parfummarken“ waren deutsche Markeninhaber gezwungen, auch eine nationale Marken anzumelden, um in Deutschland gegen solche Rechtsverletzungen vorgehen zu können.
Der EuGH hat die Gelegenheit genutzt, auf die autonome Auslegung der unterschiedlichen Bestimmungen für nationale und Unionsmarken hinzuweisen, zugleich aber auch darauf, dass diese unterschiedlichen Bestimmungen im Lichte der VO Nr. 207/2009 über die Gemeinschaftsmarke eine gewisse Kohärenz aufweisen müssten, um dem genannten Ziel, diejenigen Fälle der Rechtshängigkeit so weit wie möglich zu verringern, die sich daraus ergeben, dass in verschiedenen Mitgliedstaaten Klagen erhoben werden, in denen es um dieselben Parteien und dasselbe Hoheitsgebiet geht und von denen die eine auf der Grundlage einer Unionsmarke und die andere auf der Grundlage paralleler nationaler Marken erhoben wird.
Soll eine Marke angriffstauglich sein, so wird man möglicherweise weiterhin eine nationale deutsche Marke benötigen – ggf. neben einer Unionsmarke, für den unionsweiten Angriff (dafür: Hildebrandt in WRP 2019, 1444).
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