Urheberrechtsschutz der angewandten Kunst vs. wettbewerbliche Eigenart

Auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche wird sich immer dann gerne gestürzt, wenn für ein Produkt kein Sonderrechtsschtz wie Geschmacks- oder Gebrauchsmusterschutz, Marken- oder Patentschutz besteht oder dafür keine Erfolgsaussichten bestehen.

Das Problem

Der wettbewerblicher Leistungsschutz kann erfolgreich aber nur durchgesetzt werden, wenn neben der erforderlichen wettbewerblichen Eigenart auch eine unmittelbare oder mittelbare Herkunftstäuschung festgestellt werden kann. Möglich ist deshalb, dass es entweder an der wettbewerblichen Eigenart mangelt oder aufgrund der möglicherweise inzwischen eingetretenen Verbreitung mehr oder weniger identischer Produkte an der unmittelbaren oder mittelbaren Herkunftstäuschung fehlt.

Die wettbewerbliche Eigenart

Wettbewerbliche Eigenart kann nur bejaht werden, wenn bestimmte Merkmale eines Produkts oder dessen konkrete Ausgestaltung auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinweisen. Dazu muss der angesprochene Verbraucher zwar nicht exakt den Hersteller kennen, das Erzeugnis aber doch zumindest einem bestimmten, wenn auch nicht namentlich bekannten, Hersteller zuordnen. Wettbewerbliche Eigenart fehlt aber oder geht verloren, wenn die prägenden Gestaltungsmerkmale im Markt durch eine Vielzahl von Nachahmungen zum Allgemeingut geworden sind und deshalb nicht mehr einem bestimmten Hersteller zugeordnet werden.

Der Urheberrechtsschutz

Die Inhaber vermeintlicher Rechte versuchen deshalb über andere Rechtsansprüche zum Erfolg zu kommen und berufen sich dafür zunehmend auf ihre Urheberrechte an solchen Produkten.

Der Werkbegriff der angewandten Kunst

Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH zerfällt der europäische Werkbegriff in zwei wesentliche Bestandteile. Zum einen muss das Werk nach seiner Auffassung ein Original sein, das eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers verkörpert und zum anderen muss mit dem Werk eine solche Schöpfung (auch) zum Ausdruck gebracht werden (EuGH, C-683/17, Rn. 29 – Cofemel; EuGH, C-833/18, Rn. 22 – Brompton).

Diese für den klassischen Urheberrechtsschutz notwendigen Erfordernisse sind für Werke der sogenannten angewandten Kunst mit den Entscheidungen des BGH, I ZR 143/12, – Geburtstagszug und des EuGH – Cofemel sowie EuGH – Brompton in Bewegung geraten. Geschützte Werke im Sinne des Urheberrechts können seitdem auch Werke „der angewandten Kunst“ sein (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UrhG).

An den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst sind nach Auffassung des BGH und EuGH seit den vorgenannten Entscheidungen nunmehr grundsätzlich keine anderen Anforderungen als an den Urheberrechtsschutz von Werken der zweckfreien bildenden Kunst oder des literarischen oder musikalischen Schaffens zu stellen, die für den Urheberrechtsschutz die sogenannte „kleine Münze“ kennen und dafür bereits den Urheberrechtsschutz genügen lassen.

Bei den Werken der angewandten Kunst genügt es für die Anerkennung des Urheberrechtsschutzes nunmehr bereits, dass bei dem Werk eine Gestaltungshöhe erreicht wird, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer „künstlerischen“ Leistung zu sprechen.

Die künstlerische Leistung muss die Durchschnittsgestaltung deshalb nicht mehr deutlich überragen. Der BGH gibt mit dieser Betrachtung seine bis dahin gültige Rechtsauffassung auf, die er noch im Silberdistel-Urteil vertreten hat. Dort forderte er auch für die angewandte Kunst noch ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung (BGH – I ZR 119/93, Rn. 17 – Silberdistel).

Ob ein Werk der angewandten Kunst die für einen Urheberrechtsschutz erforderliche Gestaltungshöhe erreicht, hängt nach aktueller europäischer und deutscher Rechtsprechung nur noch davon ab, ob die Gestaltung auf einer künstlerischen Leistung beruht. Das soll nicht der Fall sein, wenn die ästhetische Wirkung der (künstlerischen) Gestaltung dem Gebrauchszweck des Werks geschuldet ist. Es ist auch zu beachten, dass eine zwar Urheberrechtsschutz begründende, gleichwohl aber geringe Gestaltungshöhe nur einen entsprechend engen Schutzbereich des betreffenden Werkes entfalten kann.

Auswirkung auf die Praxis

Es wird mit der Absenkung des Schutzniveaus infolge dieser Rechtsprechung leichter werden, den Urheberrechtsschutz für ein Werk der angewandten Kunst zu bejahen. Hingegen wird es schwerer werden, diesen Urheberrechtsschutz wirksam zu bestreiten, sei es, dass behauptet wird, dass der Schutzrechtsinhaber auf vorbekannte Gestaltungen zurückgegriffen habe, sei es, dass behauptet wird, es handele, sich um eine individuelle Doppelschöpfung, also dass der eine vom anderen nicht gewusst habe, dass er dieses Werk bereits geschaffen habe.

Im Urheberrecht gilt der Grundsatz der Priorität und der absoluten Neuheit nicht. Der Beweis der individuellen Doppelschöpfung gelingt deshalb nur selten und nur unter ganz besonderen Umständen, so etwa, wenn die Entwicklungen in ganz unterschiedlichen Kulturkreisen entwickelt worden sind.

Für die Rechtsdurchsetzung bietet das Urheberrecht aber in jedem Falle ein probates Mittel gegen Nachahmungen ästhetisch gestalteter Erzeugnisse und erweist sich als attraktive Alternative zum Lauterkeitsrecht.

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Kategorie: Urheberrecht